Nina Kalt
www.ninakalt.de


"Semetin"
16.08.12 - 18.10.12

Die Farben des Spätsommers

Nina Kalt zeigt ausgewählte Bilder ihrer Werkreihe „Semetin“
in der Galerie Kalt im Westend.

Der Spätsommer mit seinen länger werdenden Schatten, dem fahlen Gelb der abgeernteten Kornfelder, dem sich langsam zu verfärben beginnenden Laubwerk der Bäume gehört für den malerischen Blick zu den ergiebigsten Jahreszeiten. Für die Malerin verbinden sich die Farben und die Stimmungen des Spätsommers mit einem kleinen Weiler in Mähren, der diesem Bilderzyklus seinen Titel geliehen hat: „Semetin“. Es sind gemalte Erinnerungen an Kindheit, Jugend, Sommerferien und unmittelbares Naturerleben der besonderen Art. Die Malerin konzentriert sich auf die Farben des Spätsommers und um dies zu erreichen, hat sie radikal jeden Verweis auf Objekte in der Naturwelt getilgt. Ihre Bilder sind konsequent nichtgegenständlich und abstrakt im Wortsinn, nämlich losgelöst von jeder Referenz auf Naturobjekte. In älteren Arbeiten bedient sich Nina Kalt noch der geometrischen Grundformen von Rechteck, Quadrat, Kegel oder Kreis. Da diese Formen aber gerne als Zeichen für Dinge aus der Alltagsrealität wahrgenommen werden, hat sie in der Werkreihe „Semetin“ auf diese geometrischen Figuren bewusst verzichtet. Nichts soll von der Farbempfindung und dem Eigenwert der Farben ablenken. Genau deshalb sind auch alle Momente, die auf ein Sujet Landschaft hindeuten können, vermieden.

Cézanne beim Wort genommen
Die Farben erscheinen in unregelmäßig viereckigen Flecken auf der Leinwand. Paul Cézannes Konzept der „taches colorées“ (Farbflecken) findet hier eine radikale Ausformung, die sich der Meister des ausgehenden 19. Jahrhunderts noch nicht zutraute; denn bei ihm formten sich auf der Leinwand die Farbflecken erneut zu Naturobjekten und Dingen, einer Frucht oder zum Bild eines Berges, des berühmt gewordenen Montagne Sainte-Victoire, oder zur artifiziellen Komposition einer „nature morte“ (Stillleben). Räumlichkeit stellt sich in Nina Kalts Bildern durch das Nebeneinander der Farben selbst ein. Keiner einzelnen Farbe kommt hier ein absoluter Wert zu, sondern jede bestimmt sich durch ihre farbigen Nachbarn, wie sie wiederum auch ihre Farbnachbarn definiert. Dieses Spiel wechselseitiger Interdependenzen führt zu einer immer wieder mit Überraschungen aufwartenden „Farbgesellschaft“. Diese Farbgesellschaft lebt von den Kontrasten der Farben untereinander. Zugleich sind in ihr alle Farben gleichberechtigt, keiner kommt mehr Wert oder Aufmerksamkeit zu als einer anderen.

Natur ist Überfluss und Dynamik
Die Farbregie der Malerin berücksichtigt dabei besonders zwei Erscheinungen von Natur: Die Natur ist gekennzeichnet von Überfluss und Fülle, nicht von Mangel und Kargheit. Des Weiteren kennt Natur keine Stasis, kein Verharren eines Zustands, sondern in ihr herrscht ständig Bewegung und Veränderung. Die Dynamik ist das die Natur durchwaltende Prinzip. Die Farben eines Spätsommernachmittags ändern sich ständig. Was die Malerin „festhalten“ kann, ist ein infinitesimal kleiner Moment, der von einer anderen Farbstimmung und -mischung sofort abgelöst wird. Der Versuch, diesen Moment als Landschaftssujet auszugestalten, käme insoweit einer Herstellung von Fiktion gleich. Das Konzept der Taches Colorées gestattet es, eine Ahnung dieser schnell wechselnden Farbspiele auf der Leinwand zu geben. Dabei nutzt die Malerin alle zur Verfügung stehenden Farbmaterialien. Acrylfarben finden Verwendung wie auch direkt aus den Pigmenten hergestellte Eitemperafarben. In manchen Bildern findet sich auch die Mischung beider Maltechniken. Eines sei an dieser Stelle noch besonders unterstrichen: Bilder sind Medien der Erinnerung. Auf ihnen gelangt die Erinnerung an einen Farbeindruck zur Darstellung und nicht dieser selbst. Nina Kalts Bilder reflektieren diese wahrnehmungsphysiologischen wie -psychologischen Bedingtheiten. Paradox formuliert mag man sie als Landschaftsbilder ohne Landschaft benennen.

Zur Ausstellung ist ein dreisprachiger Katalog (Deutsch / Englisch / Tschechisch) erschienen.

Rüdiger Heise

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